Werden wesentliche Inhalte eines (erfolglosen) Verständigungsgesprächs nicht mitgeteilt, kann der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sein.
Mit dem Verständigungsgesetz aus dem Jahr 2009 wollte der Gesetzgeber die „Deals“ im Strafverfahren aus den Hinterzimmern holen. Dies war unter anderem Kernanliegen des § 243 Abs. 4 StPO. Dieser Paragraph verpflichtet den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob Verständigungen stattgefunden haben. Fanden welche statt, muss er ferner den wesentlichen Inhalt mitteilen.
Im Rahmen einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde wurde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nochmals klargestellt, dass die Mitteilungspflicht auch der Kontrolle durch die Öffentlichkeit dient.
Folgender Sachverhalt lag der Verfassungsbeschwerde zugrunde: In einem Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig fanden Verständigungsgespräche zwischen den Richtern, dem Staatsanwalt und der Strafverteidigung statt. Die Gespräche führten jedoch nicht zu einer Verständigung, weil der Beschuldigte kein Geständnis ablegen wollte. Der vorsitzende Richter teilte in der Hauptverhandlung mit, dass erfolglose Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden hätten. Den wesentlichen Inhalt der Gespräche erwähnte er jedoch nicht.
Der Angeklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig Revision zum BGH ein. Er erklärte, der Vorsitzende hätte den wesentlichen Inhalt der Gespräche mitteilen müssen. Die Revision hatte keinen Erfolg. Zwar habe der Vorsitzende gegen die Pflicht aus § 243 Abs. 4 StPO verstoßen, auf diesem Fehler beruhe aber nicht das Urteil, so die Richter vom BGH.
Das Gericht führte weiter aus, der Angeklagte habe bereits vor der Mitteilung deutlich gemacht, dass bei ihm keine Verständigungsbereitschaft bestehe. Auf die Unterrichtung durch den Vorsitzenden sei es deshalb erkennbar nicht angekommen. Daher basiere das Urteil nicht auf dem Verstoß des § 243 Abs. 4 StPO.
Die anschließende Verfassungsbeschwerde zum BVerfG hatte nun jedoch Erfolg. Der Beschwerdeführer wurde durch die mangelnde Mitteilung in seinem Recht auf ein faires Verfahren (fair trial) verletzt. Das BVerfG zielt vor allem auf das Anliegen des Gesetzgebers zum Verständigungsgesetz ab.
Die Pflicht des Vorsitzenden, den wesentlichen Inhalt von Verständigungsgesprächen mitzuteilen, diene nicht nur der Information des Angeklagten, sondern auch der Öffentlichkeit. Die Verständigungsgespräche, die im Dienstzimmer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sollen sich in der Hauptverhandlung der Öffentlich offenbaren. Der Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Geheimjustiz verhindern und der Öffentlichkeit die Möglichkeit einer Kontrolle in Gestalt des Einblicks in den Prozess gewähren.
Diese Kontrollfunktion kann die Öffentlichkeit aber nur dann erfüllen, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Es ist daher nicht relevant, ob der Beschuldigte bereits vorher keine Verständigungsbereitschaft signalisierte. Dies hat der BGH verkannt. Insoweit hatte die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten Erfolg.
Zum nachlesen: BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015, Az.: 2 BvR 2055/14