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Staatsanwaltschaft München I: Kein Strafverfahren gegen die Pflichtverteidiger im NSU-Prozess

Beate Zschäpe scheitert mit ihrer Strafanzeige gegen drei ihrer Pflichtverteidiger. Die Staatsanwaltschaft München I sieht mangels „Geheimnis“ keinen Anfangsverdacht eines Geheimnisverrates.

Die im NSU-Prozess angeklagte Beate Zschäpe ist mit ihrer Strafanzeige gegen drei ihrer Verteidiger gescheitert. Die Staatsanwaltschaft München lehnt die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens gegen die drei Rechtsanwälte ab. Es fehle bereits an einem Anfangsverdacht für einen Bruch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, so erklärte die Ermittlungsbehörde in ihrer Mitteilung.
Zschäpe warf den drei Pflichtverteidigern die Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB vor. Die drei Anwälte sollen Gespräche mit dem Vorsitzenden Richter geführt haben. Im Gespräch sollen die Anwälte geäußert haben, dass sie die Angeklagte nicht zum Schweigen angehalten hätten. Vielmehr schweige die Angeklagte aus eigenen Stücken. In dieser Äußerung sah die Angeklagte bereits einen Geheimnisverrat. Die Staatsanwaltschaft erklärt in ihrer Pressemitteilung jedoch zutreffend, dass die Strafverteidiger unabhängige Organe der Rechtspflege seien und daher auch unabhängig vom Angeklagten agieren dürfen.
Der Hinweis, die Angeklagte entscheide selbst ob sie aussagen möchte oder nicht, sei ferner kein Geheimnis, sondern eine strafprozessuale Selbstverständlichkeit. Solange ein Rechtsanwalt in diesen Gesprächen nicht unbefugt Hinweise auf die Schuld oder Unschuld des Angeklagten gibt, ist darin kein strafbares Verhalten zu sehen.

Bereits zuvor war das Verhältnis zwischen der Angeklagten und ihren drei Pflichtverteidigern belastet. Zschäpe fühlte sich im Mord-Prozess nicht hinreichend vertreten und beantragte die Entbindung der drei Rechtsanwälte. Dies hätte zwangsweise zu einem kompletten Neubeginn des Mammutverfahrens geführt.
Das Gericht lehnte den Antrag ab. Wenig später wurde der Angeklagten jedoch ein vierter Pflichtverteidiger ihrer Wahl zur Seite gestellt. Daraufhin baten auch die drei bisherigen Pflichtverteidiger selbst um ihre Entbindung. Auch diesem Wunsch kam das Gericht nicht nach. Die drei Anwälte konnten nicht hinreichend deutlich machen, dass das Vertrauensverhältnis zur Angeklagten erschüttert sei. Dies lag unter anderem auch daran, dass die Anwälte aufgrund ihrer Schweigepflicht keine Details nennen durften.

Als letztes Mittel, ihre Pflichtverteidiger doch noch los zu werden, griff die Angeklagte zur Strafanzeige. Hätte diese Strafanzeige Erfolg gehabt, hätten die Pflichtverteidiger wohl entbunden werden müssen. Nun müssen die insgesamt vier Pflichtverteidiger weiterhin gemeinsam die Beschuldigte vertreten.
Erneut zeigt dies, wie schwer Angeklagter und Pflichtverteidiger sich in einem laufenden Prozess trennen können. Bereits vor einigen Tagen behandelten wir in einem gesonderten Artikel die Frage: „Wie werde ich eigentlich meine(n) Pflichtverteidiger los?“

Es ist zu erwarten, dass dies nicht das letzte Manöver der Angeklagten bleibt, um das Verfahren doch noch bereits in dieser Instanz zu kippen. Es scheint absehbar, dass im Rahmen einer Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) im Falle einer Verurteilung die Frage der Entscheidung über die Nichtentbindung eine maßgebliche Rolle in der Verteidigungsstrategie spielen könnte. Obgleich sich jeder Nichtjuristen fragt, wie man hier noch von einem „Vertrauensverhältnis“ sprechen kann, könnte die Entscheidung durch den BGH gehalten werden.