Gruppen können nur dann beleidigt werden, wenn sie abgrenzbar und überschaubar sind. Bei der Frage der Strafbarkeit kommt es auf die konkreten Umstände an.
Die Strafgerichte müssen sich immer wieder mit der Frage beschäftigen, ob eine Beleidigung an ein Kollektiv bzw. eine bestimmte Personengruppe strafbar sein kann. Für eine Strafbarkeit wegen Beleidigung im Sinne des § 185 StGB muss es zu einer Ehrverletzung gekommen sein. Eine angreifbare Ehre muss dafür aber auch tatsächlich vorhanden sein. Dies kann bei großen und unüberblickbaren Gruppen fraglich sein. Eine Kollektivbeleidigung ist daher nur in den Fällen strafbar, in denen eine zahlenmäßig überschaubare Gruppe angesprochen wird.
Problematische Fälle treten häufig bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen auf. So kann vor allem in Fußballstadion bekannte Abkürzungen wie ACAB („All Cops Are Bastards“) strafbare Beleidigungen sein. Damit können sich die konkreten Polizisten im Stadion in ihrer Ehre verletzt fühlen. Es handelt sich daher um eine überschaubare Gruppe an Polizisten.
Ist der „FCK CPS“ Slogan eine Beleidigung?
Das Bundesverfassungsgericht (BverfG, Beschluss vom 26.02.2015, Az.: 1 BvR 1036/14) musste sich nun mit dem Tragen eines „FCK CPS“-Stickers (Für: „Fuck Cops“) beschäftigen.
Die Vorinstanz hatte die junge Frau wegen Beleidigung verurteilt. Auch die Revision gegen das Urteil hatte keinen Erfolg. Die Verfassungsrichter hoben nun beide Urteile auf und verwiesen auf das bedeutende Grundrecht der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG.
Einstimmig entschieden die Richter aus Karlsruhe, dass durch die Kritik an der Polizei im öffentlichen Raum keine so kleine und abgrenzbare Gruppe bezeichnet werde, weswegen die Meinungsfreiheit zurücktreten müsse. Je stärker die Gruppe jedoch abgrenzbar werde, desto strenger seien die Anforderungen bei der Abwägung zwischen Ehrschutz und Meinungsfreiheit.
Dabei war die Rechtsprechung zu diesen Themen bisher sehr uneinheitlich. Viele Gerichte in der gesamten Bundesrepublik werteten bereits das Tragen von Anti-Polizei-Statements im öffentlichen Raum als Beleidigung. Und auch einige Gerichte entschieden solch „ACAB“-Fälle zu Ungunsten des Demonstranten bzw. Fußball-Fans. Diese Einschätzung wird sich durch das aktuelle Urteil wohl ändern müssen.
In der Praxis wird es also zukünftig noch stärker auf die individuellen Umstände des Falles ankommen. Eine generelle ablehnende Kritik der gesamten Ordnungsmacht ist demnach nicht strafbegründet. Anders sieht es jedoch aus, wenn ganz konkrete Polizisten gemeint sind. Dies kann beispielsweise in einem Fußballstadion weiterhin der Fall sein.
Urteile wie kürzlich in Düsseldorf ergangen, werden durch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedoch hoffentlich der Vergangenheit angehören. Ein Anti-Dügida-Demonstrant wurde mit einem Verwarngeld von 50 Euro belegt, weil er ein ACAB-T-Shirt trug und dabei „mehrfach den Blickkontakt mit Beamten suchte“.