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Schulterkamera für Polizeibeamte – die ultimative Lösung für Beweisschwierigkeiten?

Als Pilotprojekt sollen die Polizeibeamten auf St. Pauli zukünftig mit einer sogenannten „Schulterkamera“ ausgerüstet werden. Laut einem Bericht des Hamburger Abendblattes stellt die Stadt Hamburg dafür 20.000,00 € zur Verfügung. Die Schulterkamera soll ihrem offiziellen Zweck zufolge jedoch nicht für das Casting einer neuen Trash-Show des Privatfernsehens dienen und angeblich auch kein weiterer Baustein in der Totalüberwachung der Bevölkerung sein. Die Schulterkamera – sog. Body Cam – soll (darf?) von Polizeibeamten nur dann eingesetzt werden,
„wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, dass eine Situation einen gewalttätigen Verlauf nimmt“. Wann das ist, bestimmt allein der Polizeibeamte nach „billigem Ermessen“ wie es Juristen so schön ausdrücken. Außerdem muss der Betroffene auf das Einschalten hingewiesen werden, also kann der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht so schlimm sein.

Im Ansatz keine schlechte Idee, kann der Einsatz einer Kamera doch durchaus deeskalierend wirken. Aus Sicht eines Strafverteidigers wittert man für manches Verfahren schon Morgenluft, soll doch dann zu sehen sein, wer wen zuerst geschlagen hat, und man könnte die Rechtmäßigkeit des Einschreitens der Polizisten genau nachvollziehen, zumal die Kamera nicht nur Bild, sondern auch Tonaufnahmen anfertigt.

Doch die Sonne – hier wohl eher das Kameralicht – scheint nicht für jeden: Ausschließlich der Polizeibeamte entscheidet, wann die Kamera aktiviert wird. Der Bürger hat keine Möglichkeit, auf die Aktivierung der Kamera zu seiner eigenen Sicherheit zu bestehen, um die (seiner Auffassung nach vielleicht rechtswidrige) Maßnahme zu dokumentieren. Es wird also auch zukünftig voraussichtlich kein Beweismittel dafür geben, ob eine Belehrung tatsächlich stattgefunden hat, ob der Bürger tatsächlich darüber aufgeklärt worden ist, dass er den Kofferraum ohne Anwesenheit des Zolls nicht ohne konkreten Anlass der Gefahrenabwehr öffnen muss oder ob ggfs. ein unmittelbarer Zwang im Einzelfall gerechtfertigt war oder eben nicht. Das ist sehr bedauerlich, denn man wäre nicht mehr auf verwackelte Handyvideos von Hobbyjournalisten oder aufmerksamen (kritischen) Bürgern angewiesen, sondern könnte einfach im Anschluss an die Maßnahme über seinen Anwalt im Wege der Akteneinsicht ein Kopie der Kameraaufnahme erhalten. Aber wie bei George Orwells „1984“ funktioniert die Überwachung nur einseitig: Der Staat entscheidet, ob etwas aufgenommen wird und wer es zu sehen bekommt. Der Bürger hat das Nachsehen und die Beweisschwierigkeiten.

Letztlich wird es vermutlich so sein wie mit schusssicheren Westen – wenn man tatsächlich eine benötigt, trägt man sie nicht. Übertragen auf die Schulterkamera: Sie ist sie im entscheidenden Moment nicht an, leider in dem Moment kaputtgegangen oder gerade kein Film eingelegt.
Ob man dann vor Gericht auf Frage des Verteidigers – warum die Kamera nicht eingeschaltet gewesen ist – die Einlassung „der Betroffene der Maßnahme hat mich so schnell angegriffen, dass ich keine Zeit mehr hatte, die Kamera einzuschalten“ zu hören bekommen wird, bleibt abzuwarten.

Der Eingriff in das Grundrecht der informellen Selbstbestimmung durch die sog. „Body Cams“ erfolgt auf diese Weise einseitig und mit zweifelhaftem Nutzen für den Bürger. Es ist gänzlich unerfindlich, warum der Betroffene einer Maßnahme nicht verlangen können soll, dass die Kamera auch zu seiner Sicherheit eingeschaltet wird, um den Ablauf der polizeilichen Maßnahme zu dokumentieren. Polizisten, die ihre Arbeit ordnungsgemäß verrichten – was der Regelfall sein dürfte – werden damit kaum ein Problem haben. Können Sie doch im Gegenteil beweisen, dass sie alles richtig gemacht haben. Wenn dann allerdings die Video- und Tonqualität ähnlich schlecht ist wie die bei Aufzeichnungen von Videokameras in Banken oder vor Diskotheken (oder so geeignet wie die bestellten Drohnen für die Bundeswehr) bleibt tatsächlich nur die hoffentlich deeskalierende „Abschreckungswirkung“.

Warum diese bei Demonstrationen – bei denen häufig Kameraaufnahmen getätigt werden – nicht so ganz funktionieren will ist sicher psychologisch begründbar.

Im Zweifel heißt es also bei der nächsten Kontrolle auf St. Pauli also: Bitte in die Kamera lächeln statt zu beleidigen, zu pöbeln und oder den Polizeibeamten anzugreifen.
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