Wenn ein Unfallbeteiligter den Unfallort verlässt, um sich ärztlich versorgen zu lassen, und erst dann die Polizei informiert, kann er gem. § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB entschuldigt sein.
Die Revision wendete sich gegen eine Entscheidung des Landgerichts Magdeburg. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB (auch als „Unfallflucht bzw. „Fahrerflucht“ bezeichnet) verurteilt. Der Fahrer hatte den Unfall unstreitig verursacht und sich dann – ohne zuvor eine angemessene Zeit zu warten – von einem Bekannten ins Krankenhaus fahren zu lassen. Dort hat er eine blutende Fingerkuppe behandeln lassen. Aus den Urteilsfeststellungen ergab sich jedoch nicht, ob der Angeklagte schon beim Beginn des Verlassens des Unfallorts die Verletzung bemerkt hatte, und zumindest auch wegfuhr, um die Verletzung behandeln zu lassen.
Dies hätte das Landgericht aufklären müssen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in der Revision entschieden hat (Az. 4 StR 259/14). Grundsätzlich muss ein Unfallbeteiligter eine angemessene Zeit am Unfallort warten, bis er zugunsten anderer Unfallbeteiligter und des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art der Beteiligung am Unfall ermöglicht hat. Dabei sind die Wartefristen und für angemessen geltenden Zeiten bzw. Zeiträume, die die Rechtsprechung bei sog. „Unfallflucht“ anlegt, relativ lang bemessen.
Entfernt sich der Unfallbeteiligte früher vom Unfallort, macht er sich grundsätzlich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar. Neben einer Strafe – das Strafmaß der „Fahrerflucht“ beträgt Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe – drohen auch ein Fahrverbot, Punkte in Flensburg und im Schlimmsten Fall die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn der entstandene Sachschaden am Fremdfahrzeug über 1200 EUR, bei manchen Gerichten auch über 1500 EUR beträgt. Lediglich Bagatellschäden von unter 25 EUR fallen nicht unter den Tatbestand. Ein Betrag, der bei heutigen Werkstattpreisen im Grund immer überschritten ist.
Hinzutreten muss noch der Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz ausreicht: Der Unfallbeteiligte muss nur billigend in Kauf genommen haben, dass er Beteiligter an einem Unfall geworden sein kann.
In dem hier vom Gericht zu entscheidenden Fall lagen sowohl der objektive Tatbestand als auch der Vorsatz vor. Dennoch konnte eine Aufhebung des Urteils erreicht werden. Der BGH hat entschieden, dass das Sich-Entfernen-vom-Unfallort dann gem. § 145 Abs. 2 Ziff. 2 StGB berechtigt oder entschuldigt ist, wenn sich der Unfallbeteiligte – zumindest auch – deshalb entfernt, um sich ärztlich versorgen zu lassen.
Doch auch zukünftig wird kein auf das Verkehrsstrafrecht spezialisierter Rechtsanwalt seinem Mandanten dazu raten, eine solche Einlassung abzugeben, wenn dieser nicht unmittelbar nach der ärztlichen Versorgung die oben genannten Feststellungen zu seiner Person, Fahrzeug etc. umgehend nachträglich ermöglicht. Denn nur bei umgehender Nachholung entfällt die Rechtswidrigkeit bzw. Schuld und damit die Strafe.
Was die Entscheidung des BGH so praxisrelevant macht ist der Umstand, dass es sich im vorliegenden Fall um eine relativ geringfügige Verletzung handelt und dennoch der BGH eine Berechtigung zum Verlassen des Unfallortes für möglich gehalten hat.
Fazit: Bei Fahrerflucht bzw. Unfallflucht kommt es sehr genau darauf an, welchen Grund man für das Entfernen vom Unfallort angibt.
Vor Verlassen des Unfallortes sollte daher in jedem Fall ein Fachanwalt für Strafrecht angerufen und Rechtsrat eingeholt werden. Denn viele Aussagen oder Verhaltensweisen lassen sich im Nachhinein selbst durch den besten Anwalt nur schwer korrigieren. Der berühmte „Zettel an der Windschutzscheibe“ ist zum Beispiel in der Regel nicht geeignet, um einer Geldstrafe, einem Fahrverbot oder einer Entziehung der Fahrverlaubs bzw. des Führerscheins zu entgehen.
Die Entscheidung: Az. 4 StR 259/14