Der Kachelmann-Prozess geht seinem Ende zu. Nun wurden ein letzter Sachverständiger und ein letzter Zeuge gehört.
Der Rechtspsychologen Günter Köhnken sagte zu dem Gutachten der Psychologie-Professorin Luise Greuel aus. Greuel hatte sich zu der Frage geäußert, ob das vermeintliche Opfer bei ihrer Aussage lüge und kam zu einem offenen Ergebnis.
Zunächst merkte Köhnken an, dass es schwierig sei die Aussage zu untersuchen, da die Polizistin, die die erste Aussage aufnahm, diese nicht wortwörtlich protokolliert habe. Hinzu käme der „besondere Aussagestil“ des vermeintlichen Opfers. Die Angaben zum angeblichen Vergewaltigungsgeschehen seien äußerst lückenhaft. Eine Erinnerungslücke reihe sich an die nächste.
Zudem kritisierte Köhnken den Einfluss des Psychotraumatologe Günter Seidler, die er auf das vermeintliche Opfer durch seine „bedingungslose, kritik- und distanzlose“ Unterstützung ausgeübt habe. Seidler sei von Anfang an überzeugt gewesen, dass sich das Gesehen so zugetragen habe, wie es das vermeintliche Opfer vorgetragen habe. Dies habe dazu geführt, dass er Kachelmann eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert habe, obwohl er ihn nicht persönlich gesehen habe.
Daraus resultiere, dass die Angaben, die das vermeintliche Opfer bei Greuel machte, nur stark eingeschränkt zu verwerten seien.
Es stelle sich die Frage, ob sie das Messer tatsächlich gefühlt habe oder ob sie sich es eingebildet habe. Eine solche Aussagefalle nach Köhnken nicht einfach vom Himmel, sie sei auch nicht suggeriert worden. Die Frage sei daher, ob sie das Ergebnis von „autosuggestiven Prozessen“ sei. Köhnken hält die Zeitspanne zwischen dem Weggehen von Kachelmann nach der vermeintlichen Tat und dem ersten Angaben des vermeintlichen Opfers gegenüber ihren Eltern, dafür zu kurz. Köhnken kann sich nicht vorstellen, „dass bei einer nicht-gestörten Person in ein paar Stunden eine autosuggestive Erinnerung erzeugt werden kann, von der man auf Dauer felsenfest überzeugt ist“.
Verteidger Johann Schwenn fragte daraufhin, ob die Verletzungen selbst beigebracht seien, wenn keine Autosuggestion zugrunde liege. Greuel konnte darauf keine Antwort geben, da sie sich mit rechtmedizinischen Befunden nicht auseinander setzen dürfe.
Ob nun eine Falschaussage und selbstbeigebrachte Verletzungen vorliegen, obliegt zu entscheiden nun dem Gericht.
(Quelle: spiegel-online vom 09.05.2011 )