BGH Rechtsprechung

Justizministerium legt Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts vor

Strafen rauf, Begriff der Kinderpornografie erweitern und Posingbilder unter Strafe stellen – So stellt sich der Justizminister
das neue Sexualstrafrecht vor.

Das Bundesjustizministerium hat einen neuen Gesetzesentwurf in das Kabinett eingebracht. Dabei geht es vor allem um die Bekämpfung von Kinderpornografie und der Schließung mutmaßlicher Strafbarkeitslücken im gesamten Sexualstrafrecht. Anknüpfungspunkte sind zumeist Urteile, die in den letzten Monaten viel Medienecho hervorgerufen haben. So zum Beispiel auch der Fall eines Lehrers, der nach einvernehmlichem Sex mit einer 14-Jährigen Schülerin nicht bestraft wurde, da er lediglich der Vertretungslehrer der Schülerin war.

Der Gesetzesentwurf stellt nun klar, dass es keine Rolle mehr für den Missbrauch Schutzbefohlener spielt, ob der Lehrer als Klassenlehrer oder nur als Vertretungslehrer in Beziehung mit dem Schüler steht. Es reicht die Einbindung in einer gemeinsamen Bildungsinstitution.

Ferner erhöht der Entwurf die Verjährungsfrist für den sexuellen Missbrauch an Kindern. Die Verjährungsfristen sollen nun erst mit dem 30. Lebensjahr des mutmaßlichen Opfers beginnen. Bisher war das 21. Lebensjahr maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist.

Aber auch der Begriff der kinder- und jugendpornografischen Schriften soll ausgeweitet werden. Bilder und Videos die „unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltungen“ zeigen, sollen dann unter den Begriff der Kinderpornografie fallen. Damit sind vor allem sogenannte „Posingbilder“ gemeint. Zuvor wurde immer eine sexuelle Handlung auf den Bildern vorausgesetzt. Dies war bei Posingbildern zum Teil nicht ganz eindeutig, wie weit es sich hier um sexuelle Handlungen handelte. Vor allem bei Bildern schlafender Kinder, wo die Kinder selbst aktiv keine Handlungen vornahmen.

Auch die generelle Anfertigung von Bildaufnahme unbekleideter Personen (aller Altersstufen) soll nach dem Entwurf unter Strafe gestellt werden. Bereits das Anfertigen von Strandfotos kann so strafrechtlich problematisch werden. Dabei ist dieses Verbot jedoch im § 201a StGB unter dem Abschnitt „Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs“ eingeordnet. Das heißt es handelt sich bei solchen Aufnahmen zwar um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, jedoch fallen solche Bilder auch zukünftig nicht unter den Begriff der Kinderpornografie.

Das Gesetz weitet die Strafbarkeit aber nicht nur beim Umfang des strafbaren Materials aus, sondern auch in der zeitlichen Dimension gibt es Änderungen. So soll das sogenannte „Cyber-Grooming“ unter Strafe gestellt werden. Dabei geht es um die gezielte Kontaktaufnahme zu Minderjährigen mittels Internet aus sexuellen Motiven heraus. In diesem Punkt zeigt der Gesetzesentwurf eindrucksvoll die bedenkliche Entwicklung des gesamten Entwurfes. Die Strafbarkeit wird zu einem Zeitpunkt vorverlagert, in der zur unmittelbaren Rechtsgutgefährdung noch gar nicht angesetzt wurde. Dabei sind „Vorbereitungshandlungen“ grundsätzlich straflos in Deutschland. Hier wird also eine Ausnahme für die Bestimmung der zeitlichen Strafbarkeitsgrenze, die bisher zumeist nur in der Schwerstkriminalität genutzt wurde.

Auch wird erneut kräftig an der Strafschraube gedreht. Der Besitz von Kinderpornografie soll beispielsweise nicht mehr nur mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden, sondern künftig sollen drei Jahre Freiheitsstrafe drohen können. Bezüglich eines Abschreckungseffekts durch höhere Strafen fehlt es jedoch an jeglicher wissenschaftlichen Basis. Aktuelle Forschung verneint solch einen Effekt eher.

Dabei wird übersehen, dass bei Vorwürfen aus dem Sexualstrafrecht, vor allem wenn ein Kind als Opfer involviert sein soll, bereits jetzt weitreichende soziale Konsequenzen drohen. Zumeist ist die bis dato bürgerliche Existenz gefährdet. Sowohl beruflich als auch privat bedeutet alleine der Vorwurf für Beschuldige und Angeklagte eine harte Belastung. Daher bildet die tatsächliche Strafe am Ende eines Verfahrens gerade bei dem Besitz Kinderpornografischer Schriften gar nicht das größte Übel für den Beschuldigten.

Insgesamt setzt dieser Entwurf die bedenkliche Entwicklung des Sexualstrafrechts der letzten Jahre fort. Durch die Ausweitung der Strafbarkeit und die Vorverlagerung der strafbaren Handlung erweckt es den Eindruck, als wolle man den Tätertypen „Pädophiler“ erschaffen. Dabei wird übersehen, dass die sexuelle Orientierung jedoch noch kein strafbares Verhalten ist. Lediglich die Umsetzung der konkreten Neigung unter der Verletzung fremder Rechtsgüter kann einen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Sanktion bilden. Bei manchen geplanten Änderungen scheint sich der Gesetzgeber diesem Grundsatz nicht immer bewusst gewesen zu sein.