Haftprüfung 116StPO

Fall Tugce: Tatverdächtiger bleibt in Untersuchungshaft

Die Strafverteidigung hat den Haftprüfungsantrag zurückgenommen. Nun muss das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.

Im November 2014 kam es nach einem Streit vor einem Schnellrestaurant zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen Jugendlicher. Nach einem Schlag des mutmaßlichen Täters ging die 22-jährige Tugce zu Boden und verstarb einige Tage später in einem Krankenhaus. Der 18-jährige Beschuldigte befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
Neuere Ermittlungsergebnisse ergaben nun jedoch, dass der Schlag an sich nicht tödlich gewesen war. Die tödlichen Verletzungen traten nämlich auf der anderen Seite des Kopfes auf. Die Gerichtsmediziner vermuten, dass Tugce so unglücklich auf ihren Ohrring gefallen sei, dass dieser sich in den Schädel gebohrt habe. Hinzu kommt, dass die Verstorbene einen besonders dünnen Schädelknochen gehabt haben soll.

Haftprüfungsantrag wurde vom Strafverteidiger zurückgenommen.

Auch aufgrund dieser neuen Erkenntnisse hatte der Strafverteidiger eine Haftprüfung des Inhaftierten vor dem Landgericht beantragt. Doch etwas überraschend wurde der Haftprüfungsantrag wieder zurückgenommen.

Zwar hat sich die Beweislage im Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge verbessert, das Gericht dürfte jedoch weiterhin von einer Fluchtgefahr ausgehen.
Es gilt jedoch auch zu bedenken, dass zum einen die Justiz in diesem Fall unter starkem Druck der Öffentlichkeit steht angesichts des großen medialen Interesses an dem Fall Tugce. Zudem besteht auch ein Sicherheitsrisiko für den Beschuldigten. Denn nach der Tat soll der 18-Jährige Tatverdächtige mehrere Morddrohungen erhalten haben und In der Untersuchungshaft soll ihm bereits von einem Mitgefangenen das Nasenbein gebrochen worden sein. Bei einer Entlassung müsste ihm somit wahrscheinlich Personenschutz zugewiesen werden.

Was droht dem Beschuldigten bei einer Verurteilung?

Die Staatsanwaltschaft hat in der vergangene Woche Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen den Beschuldigten erhoben. Nun muss das Landgericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Sollte die Anklage zugelassen werden, wovon auszugehen ist, wird vor allem der genaue Tathergang eine wichtige Rolle spielen.
Zu Gunsten des Beschuldigten wird davon auszugehen sein, dass es sich um einen relativ leichten Schlag handelte und es tatsächlich eine Verkettung unglücklicher Umstände war, die zum Tod der jungen Frau führte. Dies führt jedoch noch nicht automatisch dazu, dass der Tod ihm nicht mehr zugerechnet werden kann.
Im Falle einer Verurteilung wird das Gericht auch die Frage zu klären haben, ob auf den 18-Jährigen noch Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Davon dürfte in diesem Fall auszugehen sein, da der Tatverdächtige erst kürzlich die Volljährigkeit erreicht hat und möglicherweise Reifeverzögerungen bestehen. Grundsätzlich könnte dann Jugendstrafe bis zu zehn Jahren ausgesprochen werden.

Als wahrscheinlicher erscheint – vor allem aufgrund der neuen Ermittlungsergebnisse – jedoch eine Strafe im eher unteren Bereich zu sein. Sollte die Jugendstrafe gar zwei Jahre oder weniger betragen, käme sogar eine Bewährungsstrafe in Betracht.